Wenn Metaphern Wirklichkeit werden

Nils Epprecht,

SES-Geschäftsleiter Nils Epprecht zur Polemik um die Besetzung des Bundesplatzes durch die Klimastreikbewegung.

Bilder haben Macht. Für Instragram-Natives wie die Klimastreikenden ist das keine Neuigkeit. Doch in der Klimadebatte drohen gerade Sprachbilder Wirklichkeit zu werden. So gingen Anfang dieser Woche die Wogen hoch, als sich Klimaaktivist*innen weigerten, den Bundesplatz freiwillig frei zu geben. Damian Müller, vom klimaschutz-progressiven Flügel der FDP, warf den Aktivist*innen vor, mit ihrem illegalen Treiben «das Klima zu vergiften». Und die Medien berichten davon, das positive Image der Klimabewegung stehe auf der Kippe. Vergiftung des Klimas? Hochgehende Wogen? Kipppunkte? Geht es da nicht gerade um den Kern dessen, was die Aktivist*innen antreibt und was sie um jeden Preis verhindern wollen?

Die Klimabewegung fordert die Demokratie gerade heraus. Seit nunmehr zwei Jahren stehen sie mit ihrer – notabene von der Wissenschaft abgeleiteten – Forderung netto null bis 2030 im Schilf. Von vielen relevanten Entscheidungsträger*innen werden sie nicht einmal halbwegs ernst genommen. Ob der Wandel der Klimabewegung vom farbenfrohen Demonstrieren zum zähen zivilen Ungehorsam richtig ist, kann diskutiert werden. Opportun scheint es angesichts der bereits verstrichenen Zeit allemal. Und dieser Wandel droht selbst zum Sinnbild dafür zu werden, was passiert, wenn wir den eigentlichen Wandel  - den Klimawandel - weiterhin ignorieren: Dann geht es richtig heiss zu und her!

Das neue CO2-Gesetz ist ein Anfang

«Nicht einmal halbwegs ernst genommen» heisst konkret: In Artikel 3 des revidierten CO2-Gesetzes, das National- und Ständerat in diesen Stunden zum Abschluss bringen, ist als Ziel für das Jahr 2030 eine Treibhausgasverminderung von 50% gegenüber dem Austoss von 1990 vorgesehen. Relevante Bereiche wie der Finanzplatz oder die Landwirtschaft sind dabei nicht berücksichtigt. Und dennoch hat die SVP das Referendum bereits angekündigt. Das zeigt vor allem eines: Die demokratische Meinungsvielfalt ist gross und wo Befürworter sind, tauchen sogleich auch die Skeptiker auf.

Das neue CO2-Gesetz ist nicht das Ei des Kolumbus, aber es ist ein Anfang. Und wenn man bedenkt, von wo aus das Gesetz gestartet ist - nämlich beim Totalabsturz - ist es ein guter Anfang. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, wahrscheinlich mit der richtigen Schrittgrösse, um nicht schon mit dem ersten Schritt zu viele auf dem Weg zu einer fossilfreien Schweiz zu verlieren. Denn eine Demokratie funktioniert mit Mehrheiten. Das mag in Einzelfällen mühsam sein. Doch die USA zeigen derzeit gerade, in welche Richtung es geht, wenn sich zu viele nicht mehr von der Politik vertreten fühlen. Gräben werden tiefer und das gegenseitige Verständnis erodiert. Eine griffige Umweltpolitik bleibt unter solchen Umständen als erstes auf der Strecke.

Das neue CO2-Gesetz bleibt nicht die letzte Gelegenheit um unsere Klimapolitik auf Kurs zu bringen. Bereits nächstes Jahr steht die Revision des Energiegesetzes an. Und Klimapolitik, das ist noch immer in erster Linie Energiepolitik. Ohne die Klimastreikenden hätten wir heute wohl gar kein neues CO2-Gesetz. Und gerade wegen diesem kleinen Teilerfolg gilt es jetzt weiterzumachen. Den Druck zu erhöhen und aufs Gaspedal zu drücken. Damit Metaphern Metaphern bleiben.



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