energiestiftung.ch energiestiftung.ch Über uns → Jahresbericht

Jahresbericht 2022

Der Angriff Russlands auf die Ukraine 2022 markiert eine herbe Zäsur – auch für die Energiepolitik. Auf drastische Art und Weise wird uns unsere Abhängigkeit von fossilen und nuklearen Rohstoffen aus autoritären Staaten vor Augen geführt. Bei der SES wirft die neue Ausgangslage geplante Aktivitäten und Kampagnen über den Haufen. Als agile Organisation reagieren wir sofort. Wir krempeln Themenschwerpunkte um, erarbeiten in Windeseile neue Aktionen – etwa einen offenen Brief für echte Energieunabhängig- keit über eine forcierte Energiewende oder die Kampagne «No Oil, No Gas, No War» – und tragen neue Argumentationsstränge in die Bundespolitik. Es gilt, das Tempo der Energiewende in wichtigen politischen Vorlagen zu erhöhen und gleichzeitig dem ver- stärkt aufkommenden Ruf nach neuen Atomkraftwerken entgegenzutreten. Obwohl die Schweizer Stimmbevölkerung sich erst vor fünf Jahren klar für den Atomausstieg und die Energiewende ausgesprochen hat, macht eine neu lancierte Atom-Initiative Druck auf das Neubauverbot. Dabei ist klar, dass gerade die Atomenergie der Energiewende im Weg steht. Sie bindet Kosten, die es für den Ausbau der Erneuerbaren braucht, und stellt für die Versorgungssicherheit zunehmend eine Gefahr dar, wie der grossflächige Ausfall überalterter AKW-Kapazitäten in Frankreich zeigt. Auch dieser hat neben dem Gaslieferstopp Russlands die steigenden Energiepreise befeuert.

Die SES ist gefordert – und liefert. Dank dem Engagement und der Fachkompetenz unserer Mitarbeitenden auf der Geschäftsstelle tragen wir unsere Botschaften in neuen Formaten wie etwa dem Klimacast «Fakten auf den Tisch» in die digitale Welt, passen unsere Kommunikationskanäle mit einer Modernisierung des Magazins «Energie&Umwelt» und der Website den aktuellen Bedürfnissen an und leisten intensive politische Arbeit in Bundesbern. Erwähnenswert ist zudem, dass die SES 2022 den Beirat neu aufgestellt hat. Neu gibt es ein politisches und ein wissenschaftliches Gremium, besetzt mit illustren Köpfen. Möglich ist all unsere Arbeit dank der Unterstützung unserer Mitglieder.

Herzlichen Dank!

Eine Auswahl der SES-Tätigkeiten 2022

Februar

Die SES publiziert eine Studie von Stanford-Professor Amory B. Lovins, die am Beispiel der USA den «Business-Case» Atomkraft in Frage stellt und auch für die Schweiz relevante klimapolitische Schlüsse ableitet. «Wenn es darum geht, mit möglichst wenig finanziellen Mitteln möglichst rasch viel CO2 einzusparen, ist Atomstrom keine Option», wird Professor Lovins in den Medien zitiert. In der «Synopse Photovoltaik Gesetzgebung» lassen Swissolar und die SES die Auswirkungen des vom Parlament diskutierten Energiegesetzes auf die Rentabilität von Photovoltaik-Anlagen analysieren. Fazit: Zur Erreichung der Klimaziele und zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit braucht es einen Ausbauschub bei Solaranlagen. Die Vorschläge des Bundesrats im neuen Gesetz wirken hingegen als Bremse. Die SES fordert vom Parlament eine Korrektur.

Mai

Verschiedentlich hat die SES den Sicherheitsnachweis der Axpo zu den ungewöhnlichen Einschlüssen im Reaktordruckbehälter des AKW Beznau 1 kritisiert. Nun stellt der renommierte Materialexperte Prof. Kim Wallin in einem neuen Gutachten Defizite in der Nachweisführung über eine Replika fest. «Beim ältesten Reaktor Europas darf in Sicherheitsfragen keine Kompromisslösung gefunden werden», sagt Fabian Lüscher, Leiter Fachbereich Atomenergie, dazu. Die SES fordert, dass die festgestellten Lücken im Sicherheitsnachweis behoben werden, bevor Beznau 1 nach der Jahresrevision wieder angefahren wird. Am 21. Mai 2017 hat die Schweizer Stimmbevölkerung die Energiestrategie 2050 gutgeheissen. Die SES publiziert zum 5. Jahrestag ein White Paper mit einem Rück- und Ausblick zum Stand der Energiewende. Auch wenn sämtliche Zwischenziele der Energiestrategie 2050 erreicht wurden, muss der Weg hin zu einer nachhaltigen Ener- gieversorgung dringend beschleunigt werden. Das White Paper wird anlässlich der Jahresversammlung 2022 und der anschliessenden Veranstaltung «Energieschub fürs Klima» exklusiv vorgestellt.

Juni

Dass der gesetzliche Rahmen für die Energiewende noch nicht den Anforderungen entspricht, zeigt einmal mehr der Ländervergleich zum Ausbau von Wind- und Sonnenergie. Die Schweiz hinkt Europa nach wie vor hinterher. Bei der Photovoltaik ist zwar eine Verbesserung gegenüber den Vorjahren zu verzeichnen, die Windkraft fristet jedoch nach wie vor ein Mauerblümchendasein. Die SES appelliert ans Parlament, die Förderinstrumente bei der Revision des Energiegesetzes so auszugestalten, dass Investitionsrisiken minimiert und damit der Investitionsstau aufgelöst werden. Im Auftrag der SES modelliert das grösste deutsche Wirtschaftsforschungsinstitut (DIW) die Rolle der Schweizer AKW für die Stromversorgungssicherheit bis 2035. Die Ergebnisse sind eindeutig: Die Stromversorgung auf Basis von Photovoltaik ist sicherer als mit Atomkraftwerken. Die SES stellt die Studie an der Veranstaltung «Atomkraft am Kipp-Punkt» exklusiv vor, die sie zusammen mit dem Trinationalen Atomschutzverband TRAS in Basel ausrichtet.

Die Mangellage beschäftig die SES auch im politischen Prozess. In ihren Stellungnahmen zu vom Bund eilends angestossenen Massnahmen (Vernehmlassungen zu Themen wie «Gasmangellage», «Winterreserveverordnung» oder «Bewirtschaftungsmassnahmen Strom») vertritt die SES die Position, dass der angespannten Situation in erster Linie mit einem viel rascheren Ausbau erneuerbarer Energien und der Förderung von Effizienz- und Suffizienzmassnahmen begegnet werden muss und neue fossile Kapazitäten höchstens vorübergehend, aber keinesfalls längerfristig ins Auge gefasst werden dürfen.

November

Die SES  lanciert eine Umfrage zum Wissensstand der Bevölkerung in Bezug auf die Jodtabletten, die der Bund für den Fall eines nuklearen Unfalls an Haushalte im Umkreis von 50 Kilometer rund um die Schweizer AKW verteilen lässt. Bis zum Jahresende nehmen 9›405 Personen daran teil. Die Antworten zeigen, dass grosses Unwissen besteht, weshalb und von welchen Altersgruppen Jod eingenommen werden sollte, wenn es zur Katastrophe kommt.

Dezember

2020 wurde erkannt, dass im AKW Beznau 1 eine Erdbeben-Schutzvorrichtung, die bei den Sicherheitsberechnungen als vorhanden angenommen wurde, in der Realität gar nie eingebaut worden war. 28 Jahre lang blieb der Fehler unentdeckt. Nun legt das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI den Entwurf der einschlägigen Richtlinie «G07» vor, mit der solche Versäumnisse in Zukunft ausgeschlossen werden sollen. Aus Sicht der SES bietet dieser jedoch keinerlei Lösung für das eigentliche Problem. «Wenn man aus dem Schockabsorber-Vorfall tatsächlich etwas gelernt hat, muss die vorliegende Richtlinie noch einmal grundlegend überarbeitet werden», so die Einschätzung. Fehlerkultur? Fehlanzeige!

Das ganze Jahr

Wir sitzen mit der Bundesverwaltung, mit der Energiewirtschaft und mit Politiker:innen zusammen. Wir besuchen Schulen, Vereine und Gemeinden und bestreiten Podien. Wir geben Interviews, versorgen Journalist:innen mit Hintergrundwissen, lobbyieren beim Bund und den Kantonen. Immer mit der Botschaft und der Überzeugung, dass die Zukunft den erneuerbaren Energien gehört.

Wir danken allen ganz herzlich, die die SES auch in diesem Jahr in irgendeiner Form unterstützt haben.

Archiv